Ein Anwalt über die Irrungen und Wirrungen im Rechtsalltag! Drucken E-Mail
Montag, den 06. Juli 2009 um 08:10 Uhr


Was bitteschön heißt hier Gewohnheitsrecht? Oder: Wer etwas schon immer „so“ macht, kann das durchaus schon immer falsch machen.
Man ergibt sich ja schnell in sein Schicksal. Was schon immer so war, ist wie ein Naturgesetz. Da kommt man nicht gegen an. Mag man es noch so als Ungerechtigkeit empfinden. Und glauben Sie mir, wenn man als Anwalt seines Mandanten dort für Gerechtigkeit kämpfen will, kann man innerhalb der verkrusteten Strukturen soviel Unmut und Unverständnis ernten. Das war schließlich schon immer so und das wäre nun doch so etwas wie Gewohnheitsrecht, da könne man nicht einfach daherkommen und das ändern wollen.
Kaum ein Begriff ist dabei so missverstanden, wie der des Gewohnheitsrechts.
Um zu erklären, was Gewohnheitsrecht ist, muss man sich eigentlich über schlappe 2000 Jahre Rechtsgeschichte auslassen und es hat etwas mit der Frage zu tun, was eigentlich Recht und Gesetz ist. Ich will das für Sie leicht abkürzen. Wir führen unser heutiges Rechtssystem im Grunde auf das römische Zivilrecht zurück.
Zwischen den Römischen Bürgern, welche mit gewissen, vom Kaiser unabhängigen Gleichordnungs-rechten, ausgestattet waren, entstanden bestimmte Regeln, um diese Rechte gegeneinander abzusichern. So galt beispielsweise, dass das Eigentum an einem Sklaven oder an Vieh eben nur übergeht, wenn man das öffentlich bekundete. Ein Vorläufer unseres Grundbuches. So etwas galt dann, ohne das es irgendwo stand. Es war Gewohnheitsrecht. Erst später kam Kaiser Justinian I. auf die Idee, diese Regeln in den so genannten Corpus Iuris Civilis auch mal zum Nachlesen zu Papier zu bringen.
Das geschriebene Gesetz entstand. Heute entsteht unser geschriebenes Gesetz aber anders. Bundestag und Bundesrat beschließen bekanntlich, was in unserem Staat gelten soll. Hier ist kaum noch Platz für Gewohnheitsrecht.
In Ausnahmefällen schaffen Bundesgerichte neben den Gesetz-büchern lediglich in Form von Richterrecht gewohnheitsrechtliche Rechtsinstitute, welche dann häufig später auch wieder zu geschriebenen Gesetzen werden.
Immer geht es aber auch bei diesen richterrechtlichen Regeln um Regeln, die wie ein Gesetz allgemeingültig für alle Bürger der Republik gelten sollen. Nie geht es darum, was vielleicht innerhalb einer Gartensparte, einer Wohngemeinschaft oder zwischen speziellen Nachbarn geregelt wurde, weil die früher oder jetzt Beteiligten, es halt schon immer so machten.
Innerhalb solcher abgeschlossener Personengruppen kann kein Gewohnheitsrecht entstehen.
Aber nicht zu vergessen ist, dass es zur Rechtsklarheit und zur Rechtssicherheit natürlich Vorschriften gibt, welche allgemeingültig zur Duldung eines rechtswidrigen Zustandes zwingen.
Verjährung, Verwirkung, Ausschlussfristen, betriebliche Übung und Bestandsschutz sind einige davon. Aber davon will ich ihnen ein andermal erzählen.                                                                             

Ihr Björn Puffpaff

 
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