Neue Ausstellung im Kleist-Museum. Kleists Penthesilea und die DDR-Kunst der achtziger Jahre Drucken E-Mail
Mittwoch, den 18. März 2009 um 13:02 Uhr
"Aus einer fremden Region. Kleists Penthesilea und die DDR-Kunst der
achtziger Jahre"

7. April bis 28. Juni, Di.-So. 10-18 Uhr, Mo. geschlossen

Eröffnung: Sonntag, 5. April, 11 Uhr
Zur Eröffnung spricht Armin Hauer, stellvertretender Direktor des Museums
Junge Kunst, Frankfurt (Oder).
Eintritt zur Eröffnung frei!

Anlässlich des Gedenkjahres zu 20 Jahren friedlicher Revolution zeigt das
Kleist-Museum in seiner neuen Ausstellung "Aus einer fremden Region. Kleists
Penthesilea und die DDR-Kunst der achtziger Jahre" Kunstwerke zu Heinrich
von Kleist aus den letzten Jahren der DDR.

In den 1980er Jahren gehörte Heinrich von Kleist trotz der Franz Mehring und
Georg Lukacs geschuldeten Verzögerung längst in die Riege der Dichter, die
zum klassischen Erbe der DDR zählten. Und doch blieb er, zwiespältig, nicht
einzuordnen und gescheitert, im Schatten der Weimarer und wurde zum
Inbegriff des an der Gesellschaft Leidenden, dessen Werk Dissonanzen
erzeugt. So nimmt es nicht Wunder, dass ostdeutsche bildende Künstlerinnen
und Künstler gerade in den letzten Jahren der DDR die Auseinandersetzung mit
Kleist wählten, sich zu identifizieren suchten oder sich an seiner
Sperrigkeit rieben. Zahlreiche Künstlerinnen und Künstler inspirierte
insbesondere die zwischen den Extremen taumelnde Figur Penthesilea in
Kleists gleichnamigem Drama von 1808. "Mit der Penthesilea kann ich mich
noch nicht befreunden. Sie ist aus einem so wunderbaren Geschlecht und
bewegt sich in einer so fremden Region, daß ich mir Zeit nehmen muß mich in
beide zu finden." (Goethe an Kleist am 1. Februar 1808).

Die Ausstellung zeigt Werke von Gabriele Koerbl, Steffen Fischer, Joachim
John und anderen aus den Sammlungen des Kleist-Museums.

Medienvertreter können nach Absprache (Tel. 0335-500 80 300) die Ausstellung
vor der Eröffnung besichtigen.

Über Heinrich von Kleists Drama "Penthesilea":
Penthesilea ist die Königin der Amazonen. Dieses Volk, das aufgrund seiner
grausamen Vorgeschichte keine Männer unter sich duldet, erhält sich durch
einen ungewöhnlichen Brauch am Leben: Sobald Nachwuchs benötigt wird,
überfällt der kriegerische Stamm ein beliebiges Volk. Die Amazonen führen
die gefangen genommenen Männer nur zur Kinderzeugung mit zu sich. Der
männliche Nachwuchs wird getötet oder fortgegeben, die Väter werden wieder
in die Freiheit geschickt. Eine individuelle Partnerwahl ist nicht
gestattet. Ein ehernes Gesetz sieht vor, dass eine Amazone ihren "Bräutigam"
im Kampf bezwingen muss. Das Gesetz, dessen Entstehungsgrund unbekannt
bleibt, wird von Penthesilea in seiner Beschaffenheit nicht hinterfragt.
"Der ersten Mütter Wort entschied es", heißt es.
Penthesilea jedoch hat entgegen dem Gesetz eine Wahl getroffen: Sie hat
sich, wie ihre Mutter Otrere ihr auf dem Totenbett voraussagte, in Achill
verliebt, der ihr auf dem Schlachtfeld begegnete. Ihre unbezwingbare Liebe
zu dem großen Helden der Griechen im Kampf um Troja lässt sie in immer neuer
Kraft gegen diesen zu Felde ziehen, denn das Gesetz der Mütter ist ihr
heilig und sie will es um keinen Preis brechen. Ihre Liebe führt sie bei
wiederholter Niederlage gegen Achill in die Raserei, so dass sie den
Geliebten, als dieser sich ihr eigentlich stellen möchte, schließlich in
tierischer Wildheit zusammen mit ihren Hunden zerreißt.
Nach der Tat erwacht Penthesilea wie aus einem Traum. Zuerst will sie nicht
glauben, dass sie selbst diese Gräueltat begangen haben soll. Sie sagt, sie
wolle denjenigen, der Achill dies angetan habe, ihrer Rache opfern. Als ihre
Freundin Prothoe ihr erläutert, wer den Geliebten getötet hat, will
Penthesilea es nicht glauben. Doch als sie die Wahrheit begreift, erteilt
sie die Anweisung, den Leichnam Achills vor die Oberpriesterin der Diana zu
legen, die sie moralisch für die Entwicklung des Geschehens verantwortlich
macht. "Ich sage vom Gesetz der Fraun mich los", entschließt sie, nachdem
ihr klar wird, dass sie einem ihrer Natur widerstrebenden Gesetz gefolgt
ist. "Der Tanais Asche, streut sie in die Luft." Die Asche der Uramazone
Tanais ist Synonym für das eherne Gesetz, das "fern aus der Urne alles
Heiligen" kommt und auf dem der Amazonenstaat aufbaut.
Penthesilea erkennt zu spät, dass das Gesetz über die Jahre hinweg seinen
Sinn nicht mehr erfüllt. Den Amazonen ist kaum mehr bekannt gewesen, weshalb
es geschaffen wurde. Der Schmerz über den Tod des Geliebten dient der
Amazonenkönigin als Waffe, die sie gegen sich selbst richtet, um dem
Geliebten in den Tod zu folgen. In Reaktion auf den Tod Penthesileas
verweist die Oberpriesterin auf die Gebrechlichkeit des Menschen. Prothoe,
die engste und treueste Freundin Penthesileas, erwidert hingegen: "Sie sank,
weil sie zu stolz und kräftig blühte." Dem Vorwurf der Schwäche hält sie
entgegen, dass nur die abgestorbene Eiche dem Sturm standhalte, die gesunde
jedoch falle leicht, "weil er in ihre Krone greifen" könne. Penthesilea habe
gerade aufgrund ihrer Fähigkeit, zu lieben und dem natürlichen Gefühl zu
folgen, Stärke bewiesen. Sie musste sterben, weil ihre Gefühle mit dem
starren Buchstaben des Gesetzes nicht zu vereinen waren.

 
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